Starkregenrisikomanagement im Landkreis Rastatt
Was ist Starkregen?
Der Begriff „Starkregen“ ist in den letzten Jahren verstärkt in den Medien zu hören und beschreibt einen Regen, der im Verhältnis zu seiner Dauer eine sehr hohe Intensität hat. Starkregen tritt verstärkt während der Sommermonate auf und kann zu große Schäden führen. In den letzten Jahren war dies in einigen Gemeinden des Kreises aber auch überregional, in ganz Deutschland, zu beobachten. Jedoch gibt es viele unterschiedliche Definitionen von Starkregen, basierend auf der Wahrscheinlichkeit des Auftretens oder der Regenmenge pro Zeit. Daher kann es durchaus sein, dass in den Medien zwar von Starkregen die Rede ist, die Folgen aber sehr unterschiedlich sind.
Starkregen führt häufig zu Schäden durch eine Überlastung und den Rückstau des Kanalnetzes, da dieses nicht wirtschaftlich auf derartige Wassermassen ausgelegt werden kann. Eine weiteres Schadenspotential, und zudem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben, stellt oberflächlich abfließendes Wasser in Folge von Starkregen (Sturzflut) dar, welches unter anderem Geröll und Geschiebe mitführen kann. Im Gegensatz zu Hochwasser an Flüssen, ist der genaue Ort und Zeitpunkt von Starkregen kaum vorherzusagen, wodurch es nur sehr kurzen Vorwarnzeiten gibt. Daher ist die Kenntnis über potentielle Fließpfade des oberflächlich abfließenden Wassers und die resultierenden Risikobereiche bereits vor dem Ereignis essenziell, um mit geeigneten privaten und öffentlichen Vorsorgemaßnahmen größere Schäden an Mensch und Eigentum zu verhindern.
Was ist Starkregenrisikomanagement (SRRM)?
Im Starkregenrisikomanagement (SRRM) werden die Gefahren und Risiken durch „wild/ungefasst“ oberflächlich abfließendes Wasser für die Allgemeinheit betrachtet. Die Verantwortung für diesen Aufgabenbereich liegt normal bei den Städten und Gemeinden. Zur Unterstützung der Kommunen bei dieser Aufgabe hat das Land Baden-Württemberg 2016 einen Leitfaden herausgegeben und fördert die Erstellung eines solchen Konzeptes mit 70% der Kosten.
Die Erstellung eines Starkregenrisikomanagement-Konzeptes folgt einer einheitlichen Vorgehensweise:
1. Ermittlung von Überflutungsflächen während eines Starkregens (Starkregengefahrenkarten)
2. Identifizieren von öffentlichen Risikoobjekten und Bereichen (Starkregenrisikokarten)
3. Ausarbeitung eines Handlungskonzeptes.
Im Starkregenrisikomanagement geht es um den „katastrophalen“ Starkregen der auch zu einer Sturzflut führen kann und sehr selten (also nicht jährlich) auftritt. In Zeiten des Klimawandels kann es aber immer häufiger zu solchen Ereignissen kommen. Das Ziel des SRRM ist es das Risiko für Starkregen zu kennen und Handlungsoptionen für den Umgang mit der Gefahr zu entwickeln. Dabei gibt es verschiedenste potentielle Maßnahmen (siehe unten „Handlungskonzept“).
Es handelt sich beim dem im SRRM betrachteten Starkregen um Wassermengen, die weit größer sind als die Bemessung des Kanalnetzes. Eine Aufdimensionierung des Kanals ist in keinem Fall eine realistische Lösung, um mit den hier betrachteten Starkregen umzugehen, da es zu einer Überdimensionierung des Kanals führen würde und damit einerseits nicht wirtschaftlich wäre und zum anderen auch technische Probleme im Regelbetrieb mit sich führen würde. Schäden durch den Rückstau des Kanals sind ebenfalls nicht Teil des SRRM und gehören zur privaten Vorsorgepflicht der Bürgerinnen und Bürger (siehe folgendes Kapitel).
Private Vorsorgepflicht bei Starkregen
Im SRRM werden vor allem Gefahren für die Allgemeinheit und Objekte von öffentlichem Interesse bezüglich ihres Risikos für oberflächlich abfließendes Wasser betrachtet. Der Schutz privaten Eigentums gehört zur privaten Vorsorge zu der jede Bürgerin und jeder Bürger gesetzlich verpflichtet ist:
Wasserhaushaltsgesetz (WHG) § 5 Abs. 2
„Jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen, insbesondere die Nutzung von Grundstücken den möglichen nachteiligen Folgen für Mensch, Umwelt oder Sachwerte durch Hochwasser anzupassen.“
Hierzu gehört zum Beispiel der Schutz vor eindringendem Wasser durch Kellerfenster/-türen oder Lichtschächte. Dieses Risiko kann jede Bürgerin und jeder Bürger jedoch aus den Starkregengefahrenkarten abschätzen, die im Rahmen des SRRM erstellt und veröffentlicht werden. Auch Schäden durch den Rückstau des Kanals werden nicht betrachtet, da diese durch den Einbau einer Rückstauklappe oder einer Hebeanlage vermieden werden können und ebenfalls zur privaten Vorsorgepflicht gehören.
Informationen wie Sie sich privat schützen können, finden Sie zum Beispiel unter folgenden Links:
Unterschied zum Flusshochwasser
Die erstellten Starkregengefahrenkarten zeigen die maximale Überflutung durch Wasser, welches dem oberflächlichen Gewässer zufließt. Im Gegensatz dazu, zeigen die klassischen Hochwassergefahrenkarten die Überflutung durch ausuferndes Wasser aus dem Gewässerbett (Flusshochwasser), zum Beispiel als Folge von Dauerregen oder Schneeschmelze flussaufwärts. Im Gegensatz zu den Hochwassergefahrenkarten basieren die Starkregengefahrenkarten jedoch nicht auf gemessenen Pegelständen und eine statistische Einordnung zu Auftrittswahrscheinlichkeit ist schwierig. Im Vergleich mit den Hochwassergefahrenkarten haben die berechneten gefährdeten Flächen durch Starkregen auch keine wasserrechtliche Wirkung und helfen lediglich bei der Risikoabschätzung.
Organisation des SRRM im Landkreis Rastatt
Um sich der Herausforderung von zunehmenden Starkregenereignissen im gesamten Landkreis Rastatt anzunehmen, haben sich alle 23 Gemeinden und Städte des Landkreises Rastatt zusammengeschlossen um ein flächendeckendes Starkregenrisikomanagement durchzuführen. Hierzu wurde eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen dem Landkreis und den 23 Kommunen geschlossen. Üblich ist es, immer nur einzelne Gemeinden bei der Starkregenvorsorge zu betrachtet, die interkommunale Zusammenarbeit wird dementsprechend als Pilotprojekt durchgeführt. Dies senkt die Kosten und erhöht die Einheitlichkeit. Dabei wird sich stärker an hydrologischen Einzugsgebieten orientiert, als an kommunalen Grenzen. Insgesamt wird ein Gebiet von mehr als 700 km² betrachtet.
Geschäftsstelle Starkregenrisikomanagement
Zur Leitung des Projektes hat das Landratsamt Rastatt eine Geschäftsstelle für das Starkregenrisikomanagement im Umweltamt eingerichtet, die im engen Dialog mit allen Kommunen und den bearbeitenden Ingenieurbüros steht. Neben der Projektkoordination ist die Geschäftsstelle sehr stark im Bereich Qualitätssicherung beteiligt (Plausibilisierung der Ergebnisse). Bei Fragen zum Projekt können Sie sich gerne an die Geschäftsstelle wenden.
Projektstand
Zur Bearbeitung wurden die Städte und Gemeinden in Gruppen basierend auf den hydrologischen Gegebenheiten, kommunalen Zusammenarbeiten und der Datengrundlage unterteil und werden sukzessive abgearbeitet. Hier finden sie den aktuellen Stand des Projektes für die einzelnen Kommunalgruppen:
Einbindung der Bevölkerung
Um die berechneten Überflutungskarten durch Starkregen jedoch auf Genauigkeit zu überprüfen, können Dokumentationen vorheriger Starkregenereignisse und von deren Schäden eine enorme Hilfe sein. Dazu gehören Bilder, Videos, dokumentierte Wasserstände und entstandene Schäden oder auch gemessene Niederschlagssummen eines Starkregenereignisses. Daher wird die Mithilfe aller Bürger sehr begrüßt und alle oben genannte Informationen oder Anregungen können direkt an die Starkregengeschäftsstelle unter der Email starkregen@landkreis-rastatt.de gesendet werden.
Im Rahmen des Handlungskonzeptes sind außerdem Informationsveranstaltungen geplant in denen die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden.
Wie läuft das SRRM im Detail ab?
1. Gefährdungsanalyse
In der Gefährdungsanalyse werden mithilfe von 2D-hydrodynamischen Modellen Starkregengefahrenkarten erstellt. Die nötigen Eingangsdaten sind unter anderem ein digitales Geländemodell, die Landnutzung und Bodenbeschaffenheit. Auch Details wie Mauern oder Durchlässe innerhalb der Fließwege des Wassers werden in dieses Modell eingearbeitet. Betrachtet werden drei Szenarien, die sich in der Menge des Niederschlags der in einer Stunde fällt unterscheiden: selten/außergewöhnlich/extrem. Als Ergebnis erhält man Starkregengefahrenkarten mit der maximalen Überflutungstiefe und -ausdehnung oder auch der Fließgeschwindigkeit und -richtung. Diese Karten sind die Grundlage für die spätere Risikobetrachtung und das Handlungskonzept.
Einsatz von Drohnen
Auch mit Drohnenbefliegungen werden die berechneten Hauptfließwege kartiert und damit die Plausibilität der Karten geprüft. Wundern Sie sich also nicht, wenn in nächster Zeit eine Drohnenbefliegung in Ihrer Ortschaft durchgeführt wird. Gerne können Sie auf uns zukommen und uns Hinweise geben auf welche Stellen wir besonderen Wert legen sollten (starkregen@landkreis-rastatt.de).
2. Risikoanalyse
In der Risikoanalyse werden öffentliche Bereiche und Gebäude betrachtet, bei denen laut Starkregengefahrenkarte eine Überflutung auftritt.
Hierbei gibt es beispielsweise folgende Leitfragen:
- Besteht Gefahr für Leib und Leben?
- Wie hoch ist das Schadenspotenzial?
- Ab welchem Überflutungsszenario gibt es Probleme?
Dies kann nicht durch ein standardisiertes Verfahren erfolgen, sondern muss auf Grundlage vorhandener Ortskenntnisse unter Einbezug aller wesentlichen Akteure in der Kommune geschehen. Hierbei werden auch Gefährdungen für die Allgemeinheit die in Folge von Starkregen auftreten können, wie zum Beispiel Erosion, wassergefährdende Stoffe oder bekannte Altlasten, abgeschätzt. Die Ergebnisse der Analyse werden in einer Starkregenrisikokarte dargestellt und zudem werden Risikosteckbriefe für besonders betroffenen öffentliche Objekte und Bereiche erstellt.
Private Häuser werden bei der Risikoanalyse nicht berücksichtigt. Dieser Bereich fällt unter die private Fürsorgepflicht. Die Starkregengefahrenkarten werden jedoch veröffentlicht und können daher von den Bürgerinnen und Bürgern verwendet werden um das eigene Risiko abzuschätzen.
3. Handlungskonzept
In enger Zusammenarbeit mit den lokalen Beteiligten wird anschließend ein schriftliches Handlungskonzept erarbeitet. Hierzu finden zuerst Workshops statt, in denen alle relevanten Akteure eingebunden werden.
Handlungsfelder die im Rahmen dieses Arbeitsschrittes bearbeitet werden:
- Information der Einwohner, Unternehmen und Land- und Forstwirtschaft über die Starkregengefahr und mögliche Maßnahmen
- Berücksichtigung der Erkenntnisse in der kommunalen Flächenvorsorge (Bauleitplanung)
- Vorarbeiten für das Krisenmanagement (Überarbeitung Hochwasser Alarm und Einsatzplan für Starkregen)
- Konzeption baulicher Maßnahmen, mit denen sich zum Beispiel das Wasser außerhalb von Ortschaften zurückhalten lässt oder die einen möglichst schadenfreien Abfluss innerhalb des Ortes ermöglichen. Die konkrete Planung und Umsetzung solch einer Maßnahme geschieht jedoch erst im Anschluss an das SRRM.