Granier-Enkel besucht Rastatt – und übergibt Unterlagen an das Kreisarchiv
Joseph Granier spielte bei den Rastatter Kriegsverbrecherprozessen als Generalstaatsanwalt eine wichtige Rolle. Sein Enkel Arnaud Bouteloup besuchte nun Rastatt und übergab im Landratsamt wichtige historische Unterlagen an Kreisarchivar Martin Walter.
Auslöser war das 2021 erstmals gezeigte Dokudrama „Die Rastatter Prozesse - Kriegsverbrecher vor Gericht“, eine Co-Produktion von ARTE und dem SWR, bei der die Filmemacherin Judith Völker Regie führte und das Drehbuch schrieb. Arnaud Bouteloup war einigermaßen überrascht, seinem Großvater Joseph Granier in diesem Film zu begegnen. Da Granier 1959 an den Folgen eines Motorradunfalls verstarb, hatte er so gut wie keine eigenen Erinnerungen an den Großvater. Gleichwohl wurde die Erinnerung in der Familie hochgehalten. So wusste Arnaud Bouteloup von seiner Mutter, dass Granier eine durchaus prominente Rolle bei den Kriegsverbrecherprozessen gespielt und die Familie in den 1950er Jahren freundschaftliche Beziehungen zu der Juristin Dr. Helga Stödter unterhalten hat. Helga Stödter agierte in Rastatt als Anwältin für über 400 Angeklagte in zahlreichen Prozessen, auch gegen den Generalstaatsanwalt Granier. Umso erstaunlicher ist es, dass in den Jahren danach eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden entstand.
Joseph Granier kam bereits im Frühsommer 1945 als Attaché der Generaldirektion Justiz nach Baden-Baden. Ein Jahr später wird er Kommissar der Besatzungsregierung und wird Generalstaatsanwalt in Rastatt. Wichtig ist ihm dabei vor allem die Aufarbeitung von Schuld und Unrecht, von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Federführend beteiligt war er von Beginn an bei zahlreichen wichtigen Prozessen, so ab Mai 1946 bei den Prozessen des Lagers Neue Bremm, aber auch bei den Prozessen „Camps de Württemberg“, die im August 1946 begannen. Granier ist in Rastatt nicht ganz zwei Jahre aktiv. 1948 wurde er nach Martinique versetzt.
Arnaud Bouteloup nahm 2024 Kontakt mit dem Kreisarchiv auf. Martin Walter war zunächst überrascht, von einem Familienangehörigen Graniers zu hören. Walter kannte Granier zwar bisher als historische Person, die eine große Bedeutung für die Rastatter Prozesse hatte. „Es ist aber doch etwas ganz anderes mit einem Nachfahren in Kontakt und ins Gespräch zu kommen“, betont Walter. Und so hatte Bouteloup, der vor Kurzem mit seiner Frau anreiste, einige Überraschungen im Gepäck. Neben vielen persönlichen Erzählungen zu seinem Großvater übergab der Granier-Enkel einige Dokumente aus dem Besitz seines Großvaters. Es handelt sich hierbei um Unterlagen, die vor allem das kulturelle Leben in der französischen Besatzungszone unmittelbar in den Jahren nach 1945 dokumentieren. So fanden zumeist in Baden-Baden zahlreiche Empfänge statt. Es wurden Kunstausstellungen und musikalische Soiréen organisiert, zu denen die Graniers immer eingeladen wurden.
Höhepunkt aus der Sicht des Kreisarchivs war die Übergabe zahlreicher historischer Fotos, darunter einige originale Abzüge von den Kriegsverbrecherprozessen, aber auch Fotografien, die Granier selbst gefertigt hat. Diese Fotos erzählen in der Abfolge ganze Geschichten eines Prozessalltags. Sie beginnen teils vor den Prozessen im Schlosshof, zeigen die Situation am Schloss mit Fahrzeugen, Militär, Flaggenschmuck am Schloss und den beteiligten Personen. Und sie zeigen die Situation im Ahnensaal während der Prozesse. „Das sind fantastische und eindringliche Zeugnisse der Nachkriegsgeschichte Mittelbadens“, so Martin Walter.

